Stefan Fak spricht mit Ophelia Nick, der parlamentarischen Staatssekretärin für Landwirtschaft und Ernährung
Episode 14

Darum gehts in dieser Folge

Heute gibt es gleich zwei Sensationen zu feiern! Zunächst einmal ist der Podcast in der Auswahl für den deutschen Podcastpreis – als Newcomer des Jahres, und alle Hörerinnen und Hörer sind aufgerufen, für uns abzustimmen. Doch das ist noch nicht alles: Diese Folge kommt direkt aus dem deutschen Bundestag. Stefan Fak spricht mit Ophelia Nick, der parlamentarischen Staatssekretärin für Landwirtschaft und Ernährung.

Während sie gemeinsam einen leckeren Orangenkuchen genießen, der mit Mönchszucker gebacken ist – einer exotischen und bisher in der EU nicht zugelassenen Zuckeralternative aus China -, diskutieren sie Themen der Ernährungspolitik. Es geht beispielsweise darum wie Genehmigungsprozesse für innovative Lebensmittel beschleunigt werden können, ohne dabei die Sicherheit zu gefährden. Die beiden sprechen außerdem darüber, wie Deutschland besser essen kann und welche Möglichkeiten es gibt, eine gesunde Ernährung mit nachhaltigen Klimazielen zu verbinden.

Die neue Ernährungsstrategie der Bundesregierung “Gutes Essen für Deutschland” zielt darauf ab, die Ernährungsgewohnheiten der Bevölkerung bis 2045 zu verbessern. In dieser Folge geht es demnach auch um die Chancen dieser Strategie sowie über die Rolle der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie bei der Umsetzung von notwendigen Veränderungen hinsichtlich alternativer Proteine und den Umbau von landwirtschaftlichen Tierbetrieben hin zu einer pflanzenbasierten Produktion.

Hier die ganze Folge zum nachlesen

Herzlich willkommen bei Food Fak(t). Für mich persönlich ist das die Folge der Sensationen. Sensation eins: Food Fak(t) ist nominiert für den deutschen Podcast-Preis, und zwar als Newcomer des Jahres. Ihr könnt jetzt abstimmen, ich zähle auf euch. Genaueres findet ihr in den Shownotes. Sensation zwei: Für die heutige Folge sind wir zu Gast im deutschen Bundestag. Ich spreche mit einer Frau, die im Herzen der Landwirtschafts- und Ernährungspolitik steht. Ophelia Nick, parlamentarische Staatssekretärin für Landwirtschaft und Ernährung. Bremst die EU Innovationen aus? Ist Profit wichtiger als Gesundheit? Und wie könnte eine Welt aussehen, in der jeder und jede Zugang zu gesunder Ernährung hat? Ich bin neugierig. Wird hier mit politischen Mogelpackungen jongliert oder werden die harten Nüsse der Ernährungspolitik geknackt? Also, legt euren Gemüseschäler beiseite, es wird Zeit für einen politischen Deep Dive. Hoher Besuch in meiner kleinen Podcaststube. Vielen Dank für die Einladung in den Bundestag, liebe Ophelia Nick. Ich habe ja heute was Leckeres mitgebracht, wie das ja schon Tradition fast ist in dem Podcast. Heute einen Orangenkuchen, und zwar einen ganz besonderen. Wir haben schon ein bisschen genascht, damit wir jetzt nicht während dem Gespräch krümeln. Gleich mal die Frage: Wie schmeckt er denn?

Der schmeckt wirklich sehr, sehr lecker.

Natürlich darfst du jetzt nur ja sagen, ist klar.

Es ist aber die Wahrheit.

Es ist die Wahrheit. Natürlich hat er aber auch etwas Besonderes. Rat mal!

Da bin ich jetzt sehr gespannt. Ich habe jetzt einfach…

Es ist der Zucker. Der sogenannte Mönchszucker. Also ich habe diesen Kuchen mit Mönchszucker gebacken. Sagt dir das was?

Nein, da bin ich jetzt gespannt.

Da geht es dir wahrscheinlich so wie ganz vielen anderen. Manche haben es vielleicht sogar schon mal gehört, aber auch nicht so richtig. Das ist ein Zucker, der kommt aus einer exotischen Kletterpflanze aus dem Süden Chinas. Jetzt muss ich mal ablesen. Er heißt Lou Han Guo, wird auch Mönchszucker oder Mönchsfrucht genannt und wird seit Jahrhunderten schon kultiviert. Eine asiatische Zuckeralternative ist es. Und in Amerika ist die seit 2010 auf dem Markt, also über ein Jahrzehnt, wird dort mega gehypt, weil er kalorienfrei ist, 100 % natürlich ist und im Gegensatz zu manchen anderen Zuckerersatzstoffen wird er in den USA als bedenkenlos eingestuft und sicher. Und jetzt kommt’s: wir zwei haben ja hier jetzt eigentlich etwas Verbotenes oder Halblegales getan, denn diese Mönchsfrucht darf in der EU nicht verkauft werden, weil sie die Verwaltung, die EU-Verwaltung als Novel Food einstuft. Meine erste Frage: Wissen denn die EU-Beamten mehr als die Experten?

Die Frage ist ja auch, inwieweit und intensiv sich die EU-Behörden damit beschäftigt haben, weil die haben sehr viel auf dem Tisch. Und ich höre das von vielen Unternehmern und Unternehmerinnen, dass sie eben sagen, ja, das ist ein bisschen ein Flaschenhals, die EFSA z.B., die diese Novel Food Dinge genehmigt und das ist auch von uns Wille, ich meine, wir sind Teil der EU und wir können Einfluss nehmen – nicht bestimmen, aber Einfluss nehmen – dass wir sagen, wir müssen gucken, dass gerade Genehmigungsvorgänge schneller gehen. Natürlich müssen die Dinge unbedenklich sein. Deswegen sind wir froh, dass wir diese Behörden haben, auf nationaler Ebene, auf EU-Ebene. Aber auf der anderen Seite wollen wir ja auch Innovationen, die es gibt, dass die zugelassen werden. Und wenn die unbedenklich sind, dann sollte ja auch nichts dagegensprechen.

Aber woher kommt denn die Skepsis in der EU? Also ist es wirklich Angst, dass die böse Industrie jetzt aus Profitmaximierung ein gesundheitsschädliches Produkt auf dem Markt bringt? Es betrifft ja auch andere und es gibt ja auch Unternehmen, die an sowas z.B. Pleite gehen. Also ich kenne jemanden, der wollte Goji-Beeren, die mittlerweile in jedem Laden sind, auf den Markt bringen, der war zwei Jahre zu früh dran, der ging daran zugrunde.

Also es ist keine Skepsis, der Prozess ist einfach langwierig. Und weil wir wissen, ein Startup, die haben ja nicht zwei, drei Jahre Zeit, um tatsächlich dann mit Finanzierung sich über Wasser zu halten. Und das ist das Problem. Wir müssen gucken, dass wir die Prozesse schneller hinbekommen. Das ist mit Personal, das ist mit Geld, vielleicht auch, wie man Dinge eben auch untersucht. Manche Sachen sind ja auch vielleicht schon gewohnt, da muss man gar nicht den langen Prozess haben. So tief stecke ich nicht drin. Aber wichtig ist und das weiß ich eben, wir haben tolle Innovationen, gesunde Lebensmittel, Dinge, die auch unsere Art, wie wir essen auch transformieren, aber im Gesunden. Und wieso sollen die nicht auf unseren Tellern landen? Und da müssen wir wirklich dann auch diese, ja, tollen Unternehmerinnen und Unternehmer unterstützen. Das ist auch Wille von unserem Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft, dass wir das tun.

Gibt es da auch zu dem Thema kultiviertes Fleisch eine Position, die ist ja in der EU nicht ganz unumstritten, die Positionierung? Oder generell, wenn man jetzt, es wäre ja auch Novel Food, es wäre eine technische Innovation. Gibt es da Einigkeit? Gibt es da Abstimmungen auf Ministerienebene in der EU?

Nee, weil das ist ja tatsächlich so neu, dass wir da tatsächlich sagen müssen, da muss erst mal die wissenschaftlichen Vorprüfungen, all das laufen und dann kann man erst sich eine politische Meinung dazu bilden. Also da würde ich sagen, da muss man auch leidenschaftslos sein. Wenn es hergestellt werden wird, dann muss es unbedenklich sein und dann geht das. Und der Prozess muss natürlich auch unbedenklich sein, wissen wir ja auch, gab es immer vorher auch Probleme. Also ich glaube, da ist noch nicht so was politisch. Da ist tatsächlich noch die Entwicklungsreife. Und wir wissen ja, viele Unternehmen sind dran, aber so der Durchbruch, den habe ich jetzt bisher auf jeden Fall noch nicht mitbekommen.

Müssten da nicht die Verbraucher, Verbraucherinnen selbst viel mehr mitentscheiden? Nach dem Motto: ich weiß selbst, was ich ausprobieren möchte, was ich essen möchte.

Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sich darauf verlassen können, dass das, was wir auf den Tellern haben, dass das unbedenklich ist. Und das ist ein hohes Gut. Also ich glaube, das kriegt man ja auch mit, wenn man in der Welt rumreist. Unsere Lebensqualität in Deutschland und Europa ist extrem hoch und da bin ich stolz und das ist unser Gut. Und ich glaube nicht, dass ein einzelner Verbraucher das entscheiden kann. Kann er ja gar nicht, er hat ja nicht die wissenschaftlichen Instrumente, gerade wenn es auch ein neuartiges Novel Food ist. Das heißt, da brauchen wir ganz klar die Behörden, da brauchen wir die wichtigen Untersuchungen, damit auch weiter das Vertrauen in unsere Lebensmittelindustrie da sein kann. Und das kann es sein. Also das ist wirklich das, was es gibt, das ist gesund, aber es kommt übrigens immer auch auf das Maß an. Also das ist, glaube ich, das, was Verbraucherinnen und Verbraucher dann entscheiden müssen, wie viel Zucker, Fett, Salze und so weiter haben sie auf den Tellern, wie viel Gemüse, wie viel Fleisch. Da müssen sie ja schon einiges entscheiden. Und da schon tut man sich oft auch mal schwer.

Jetzt bin ich natürlich im Herzen Unternehmer. Wie siehst du das denn? Gibt es positive Signale an kleine mittelständische Unternehmen jetzt aus dem Ministerium, auch wirklich innovativ zu werden, zu investieren in Innovationen? Gibt es da Signale aus dem deutschen Ministerium?

Ja, und zwar sehr starke Signale. Wir haben tatsächlich gestern, wir hatten über 100 Stakeholder eingeladen, die gerade diese neuen Proteine bearbeiten. Das ist ja wirklich entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Das ist der Landwirt, der Proteine anbaut, Verarbeitung und dann eben auch Vermarktung oder Investoren. Und die haben gestern den ganzen Tag zusammengesessen. Und als ich dann, ich konnte leider nur zum Ende dazukommen, das war eine Stimmung, das hat im Raum geknistert. Und die Unternehmerinnen und Unternehmer haben zu mir gesagt, sie haben sich total abgeholt gefühlt und sich gefreut über diesen Tag. Aber sie haben uns klare Aufgaben gegeben, was wir machen sollen. Wir sollen noch mehr vernetzen und wir sollen natürlich jetzt gucken, dass man auch zielgerichtet unterstützt. Wir haben ja schon eine Eiweißstrategie, wir wollen die jetzt weiterentwickeln zu einer Proteinstrategie, wie auch immer, um tatsächlich, was da auch an Neuem entsteht, zu unterstützen. Und da geht es auch wirklich klar, aus dem Ministerium ist man auch daran interessiert, Unternehmerinnen und Unternehmern zu unterstützen. Das ist sicherlich ein Grund. Aber der andere Grund ist, es geht auch um gesunde Lebensmittel, also mehr auch pflanzenbasiert ist gesund. Und das dritte ist auch der Nachhaltigkeitsaspekt. Also wenn wir sozusagen mehr pflanzlich uns ernähren und vor allen Dingen die Leguminosen, das ist immer so, Hülsenfrüchte, eine ganz spezielle Rolle, die eben sehr gut sind in der Fruchtfolge bei Bäuerinnen und Bauern, die aber eben auch sehr gesund sind und das fortentwickeln. Weil viele machen das schon, aber viele verdienen noch nicht daran. Und deswegen wollen wir, dass Menschen an der Gesundheit für den Planeten, für den Menschen dann tatsächlich auch daran verdienen. Das wäre dann so eine Win-Win-Win-Situation.

Jetzt hat ja unser Minister Cem Özdemir und das Ministerium ein politisches Steckenpferd ‚Gutes Essen für Deutschland‘. Bevor wir da jetzt zu den Details kommen, wie schaut denn das idealtypisch aus, diese bessere Ernährung der Deutschen?

Genau, das ist der Titel unserer Ernährungsstrategie. Und da geht es darum, dass jedem Menschen in Deutschland ermöglicht wird, sich gut und gesund zu ernähren. Wie er es dann im Endeffekt macht, das ist jedem total persönlich überlassen. Es wird ja immer das Thema, wir würden jemanden vorschreiben, Uli Hoeneß, wie viel er Zucker in seinen Espresso tun kann. Und das hat ja schon fast humoristische Züge, was wir alles machen. Nein, es geht darum, es zu ermöglichen. Und das wissen wir, gerade wenn man auf Kinder und Jugendliche schaut, dass die Ernährungsumgebung oft gar nicht da ist, dass sie gut und gesund aufwachsen. Da gehören auch andere Sachen dazu, sicherlich Bewegung und so weiter. Aber dass auch, was sie z.B. in Schulen angeboten bekommen, das entscheidet darüber, gehe ich gut durch den Tag und gehe ich gut durch das Leben. Und Ernährung, alles, was wir sind, unser Körper, das ist Wasser und Lebensmittel. Und da sollten wir doch wirklich darauf achten. Und da darf man auch politisch sagen in der Fürsorgepflicht für die Menschen, versuchen wir da was zu verbessern, ohne uns aber trotzdem in das Persönliche einzumischen.

Es war ein interessantes Beispiel mit dem Espresso. Für mich bleibt natürlich immer die Frage, was kommt von so einer Strategie wie bei den Menschen letztendlich an, also auch unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund. Verstehen das die Leute und wie verstehen sie es?

Es geht darum, tatsächlich die Ernährungsumgebung so umzustellen, dass man auch dem Gesunden eine Möglichkeit gibt. Also es geht los mit Kita- und Schulessen. Ist das Kita- und Schulessen das, was tatsächlich ein Jugendlicher auch braucht? Da gibt es mittlerweile auch über unsere Forschungsabteilung sehr klare Richtlinien und auch Möglichkeiten, das zu überprüfen. Also Sie müssen ja als Kita-Besitzer wissen, ist die Bolognese, die sie da mittags haben oder das Linsencurry für die Kinder, ist es jetzt auch das, was das Kind braucht? Und da gibt es mittlerweile auch Tools, dass man das überprüfen kann. Und so kann schon der Kita-Leiter sicherstellen, das was auf die Teller der Kinder kommt, deckt schon mal das ab. Das ist, glaube ich, schon mal was ganz Wichtiges, was z.b. diese Ernährungsstrategie erzeugt. Aber wir geben auch Möglichkeiten. Also ich rede viel mit wirklich diesen Großcaterern, die tausende und Millionen an Mahlzeiten ihren Kunden zubereiten. Das können Seniorenheime sein, das kann die Kita sein, das kann die Betriebskantine sein und die sagen auch, wir wollen es ermöglichen, wir wollen Nachhaltigkeit und gesund ermöglichen. Wir wollen mehr aufklären, wir wollen z.B. mal einen Regionalteller anbieten, wir wollen mal einen Klimateller anbieten, wir wollen Menschen mit aufklären und holen sich dann auch von uns Infos und so weiter. Also da ist wirklich ganz, ganz viel Musik drin und ich freue mich, dass das eben auch so in Zusammenarbeit ist mit der Branche, um tatsächlich das, was wir wollen, den Menschen auch zu ermöglichen.

Der einzelne, sage ich mal Küchenchef, Einkäufer bei so einem Caterer, der sagt allerdings dann vielleicht ja, ist ja alles schön und richtig, was wir da planen, aber fangen wir erst doch mal damit an, dass wir mehr Geld haben. Was sagt man denn dann diesem Mann, der da im Einkauf sitzt oder die Schüssel rührt und dann für vielleicht €0,50 Mittagessen machen muss?

Genau, also ungefähr ist der Wareneinkauf ja um die €1. Also es ist wirklich verrückt. Also grundsätzlich gönne ich der Ernährungsbranche, dass sie gut verdient, aber das ist noch mal ein anderes Feld. Was wir jetzt gemerkt haben, da ist auch sicher die Kantine Zukunft hier in Berlin ganz toll, dass sie gesagt haben ,Der Preis hat sich überhaupt nicht verändert, aber durch andere Rezepturen, durch andere Zubereitungen können wir wesentlich nachhaltiger und gesünder die Speisepläne zubereiten und der Preis bleibt gleich.‘ Und es gibt einfach diese Beispiele. Es ist jetzt wirklich das, wo immer alle sagen, würden wir gerne, aber Geld. Nein, das ist nicht der Grund. Es ist wirklich, wie bereite ich zu, wie kaufe ich ein, um das dann tatsächlich hinzubekommen. Aber es ist auch ein Prozess, der nicht von heute auf morgen ist. Und deswegen ist es so wichtig, dass man sich auf den Weg gemacht hat und langsam überlegt. Also man muss sich einfach nur mal vorstellen, wenn jemand sagt, ich möchte regionaler einkaufen, man muss ja dann auch regional die Dinge bekommen als Großcaterer, wenn man jetzt sagt, ich möchte den Apfelmus regional machen, ja, da muss man ja erstmal die Äpfel regional bekommen, bisher würden die Äpfel vielleicht ganz woanders hin verkauft. Und da gibt es z.b. Programme aus dem Ministerium, das sind dann so Wertschöpfungskettenmanager, die man einstellen kann, die dann eben versuchen, so eine Wertschöpfungskette regionaler zu machen. Haben wir z.b. – nur ein Beispiel – gefördert aus Streuobstwiesen in Baden-Württemberg, dass die dann eben in die Großkantinen oder wie auch immer der Apfelsaft oder der Apfelmus, weiß ich jetzt gar nicht, dass der da landet. Und das kann eben unterstützt werden. Und da sieht man, wie mühsam das ist. Wir arbeiten mit der Natur, wir arbeiten mit den Gewohnheiten des Menschen und das muss sorgsam gemacht werden, das muss organisch gemacht werden. Deswegen dauert es manchmal seine Zeit auf der einen Seite und auf der anderen Seite ist ein unglaublicher Veränderungswillen. Und übrigens die Jugend gerade, das wissen wir, die treibt es ganz schön voran. Das heißt, die Caterer sagen zu mir, ob ich das will oder nicht, unsere Kunden, die, die oft schon in den Studentenwerken und so weiter gegessen haben, die schwappen jetzt in die Betriebskantinen und die wollen anders essen.

Also ich denke, da gibt es sicher die Jungen, die das wollen. Es gibt aber genauso viele sicherlich, die sagen, also von außen wirkt das Thema gesunde Ernährung ein bisschen abgehoben, wie so eine Luxusdebatte von Leuten, die zwischen Butter Lindner und KaDeWe schweben, manchmal in den Biomarkt gehen. Aber letztendlich ist es ja so, viele Menschen können sich wirklich gute Qualität nicht leisten. Die können es sich einfach nicht leisten, das in den Einkaufskorb zu packen. Und da frage ich mich, wie holt man die ab? Also jetzt unabhängig vielleicht auch von Kantinen, wenn ich jetzt drei Kinder habe und vielleicht ein kleines Einkommen, dann muss ich vielleicht, sage ich mal, eine Aktionsware aus dem Restesupermarkt kaufen, die dann aus China kommt und vielleicht voll mit Konservierungsstoffen und anderen Dingen ist. I don’t know, ja.

Und es ist nämlich gerade gar keine Luxusdebatte, weil die tatsächlich vielleicht sogar mehr verdienen und so weiter, sind nachweislich gesünder. Und das kann ja wohl nicht sein, dass Menschen, die vielleicht aus prekären Verhältnissen oder sonst wie sind, auch eine geringere Lebenserwartung haben, was unter Umständen auch mit dem Essen zusammenhängt. Und deswegen ist es ja auch unsere Ernährungsstrategie ‚Gutes Essen in Deutschland‘ eine Strategie der gesamten Bundesregierung. Alle Ministerien haben mitgearbeitet, alle Ministerien haben zugestimmt. Also auch das Arbeits- und Sozialministerium z.B. spielt da eine ganz große Rolle. Und es ist, wenn wir gerade ernährungsbedingte Erkrankungen angucken, das sind mehr als die Hälfte der Erkrankungen, die wir haben, die teuer von Krankenkassen bezahlt werden, sind ernährungsbedingt, sind eben zu viel Zucker, Fett, Salz, Konservierungsstoffe, all diese Themen. Deswegen ist es so wichtig, dass wir wirklich an diesem Thema kommen. Ich glaube, Menschen wollen gesund leben. Ich glaube, Menschen wollen nicht Diabetes Typ II oder diese Erkrankungen, Herzinfarkt und was weiß ich. Das ist aber auch oft von der Ernährung beeinflusst. Und da politisch zu unterstützen, dass wir wegkommen und auch gerade die, die vielleicht sich nicht tagtäglich damit beschäftigen oder mit drei Kindern und so weiter, da unterstützen. Und da ist sicher Kita und Schulessen schon ein wichtiger Anknüpfungspunkt. Da ist aber auch Bildung in den Schulen. Also da sind sehr, sehr viele Möglichkeiten, um zu unterstützen. Und vielleicht noch zum Schluss, weil da sind wir auch so im Streit gerade in der Ampel oder in Diskussionen, sagen wir aber, wir nähern uns hoffentlich einem Kompromiss, dass wir z.B. die Werbung verbieten für an Kinder gerichtete Werbung, wo zu viel Zucker, Fett und Salz ist. Wir wollen da Eltern unterstützen, dass Kinder sich gut ernähren. Und da ist sicherlich keine Unterstützung, wenn man Kindern suggeriert, das ist gut, wenn sie sehr viel Süßes, Fettiges oder Salziges essen.

Ist es nicht ein Stück weit ein Katz-und-Maus-Spiel, auch mit der Industrie? Die ist doch in der Regel sehr einfallsreich, wenn es darum geht zu tricksen. Also das kann ich jetzt auch aus eigenen Erlebnissen sagen. Also gerade wenn es um eine Transparenzpflicht geht, z.B. mit kryptischen Etikettierungen, überhaupt insgesamt das ganze Thema Kennzeichnung, weiß ich denn überhaupt, was drin ist? Verstehe ich das denn heute überhaupt noch? Also ist das nicht auch zum Teil schon so unübersichtlich, dass ich mich frage, was ist das denn? Also ich habe aus meiner Praxis eine lange Diskussion: Darf das jetzt ballaststoffreich heißen oder muss ich das als Ballaststoffquelle auszeichnen? Ich frage mich, wer weiß denn das heute noch? Gibt es da irgendeine Stelle vielleicht, wo man auch als Politikerin mal sagt, jetzt pfeife ich drauf, da haue ich jetzt einen Hut drauf, bei so einer Diskussion steige ich aus?

Ne, das darf man im Endeffekt nicht. Aber es ist ja nicht nur Politik, da ist ja auch Verwaltung, Wissenschaft, sonst wie dahinter. Wir Politiker entscheiden ja nicht im luftfreien Raum. Das muss immer alles schon belegt sein, das muss man auch wissen. Nicht nur die eigene Meinung zählt, sondern man muss es unterlegen. Aber der Nutri-Score, da sagt es ganz klar, dass der Nutri-Score hilft, sich gesünder zu ernähren. Der reicht nicht. Und dann versucht man natürlich manchmal hier und da auch den Nutri-Score zu unterwandern. Aber das ist nicht das Argument. Das Argument ist wirklich, dass der Nutri-Score hilft, dass er mittlerweile bekannt ist, dass Menschen sich danach richten. Aber der Nutri-Score ist ja auch nur auf verarbeiteten Produkten drauf. Also er ist ja nicht auf dem Salat drauf. Das heißt, das Denken nimmt einem der Nutri-Score auch nicht ab, aber er hilft. Und auch nicht immer da, wo jetzt der Nutri-Score sehr schlecht ist, heißt es, das ist ein schlechtes Produkt. Also es sind ja auch viele Fette und sonst was ja auch sehr gesund. Also ich glaube, da muss man immer schon auch dann die Verantwortung des Verbrauchers auch wieder zurückgeben. Aber das macht er auch meistens ja ganz gut.

Bleiben wir doch noch ein bisschen bei der schönen Ernährungsstrategie. Wir haben ja jetzt so skizziert, was es ist. Mich würde aber trotzdem noch mal interessieren, vielleicht mehr im Detail, wie werden denn Verbraucher, Verbraucherinnen, Landwirte, andere relevante Akteure in so eine Strategie mit einbezogen? Also wie kann man sich da in der Umsetzungsphase beteiligen?

Das waren über tausend Beteiligte. Institutionen, Einzelpersonen, aber sicherlich extrem auch der Wille und der Druck über tatsächlich die medizinischen Institutionen, weil die das tatsächlich tagtäglich in ihren Praxen, in der Klinik, übrigens auch beim Zahnarzt haben. Also Karies ist nach wie vor ein Riesenthema bei uns. Und die schon sagen, das können wir so als Gesellschaft nicht zulassen. Und dann kommt sofort die Verbotsdebatte. Und da fragt man sich, man, wer zettelt diese Verbotsdebatte an? Ihr könnt doch niemanden vorschreiben, was auf den Teller kommt. Darum geht es wirklich nicht. Aber ich glaube, Karies entsteht gerade in jungen Jahren und das ist ja Aufklärung und: wie putze ich mir richtig die Zähne? Viele haben das ja durchgemacht und auch erlebt, dass das gut und wichtig ist. Und ich glaube, so muss man sich das vorstellen, aber wir haben da richtig, richtig was zu tun. Und es ist ja nicht nur Deutschland, es ist ja weltweit. Also wir haben zwar die dramatische Zahl von fast 800 Millionen Menschen, die hungern. Wir haben aber tatsächlich 2 Milliarden, die fehlernährt sind. Das ist eine Riesenzahl und das kostet auch, das kostet unseren Staat, alle Staaten der Welt sehr. Und wir aber in Deutschland sind tatsächlich die ersten, die so eine Ernährungsstrategie haben. Wenn Botschafter oder Minister aus anderen Ländern kommen und dann erzähle ich immer von unserer Ernährungsstrategie. Das finden die total spannend. Also wir sind da wirklich vorangegangen und sind da, was das angeht, sehr innovativ.

Aber hat nicht letztendlich die Lebensmittelindustrie das Sagen? Weil die serviert den Leuten ja dann das, was auf den Tisch kommt, oder?

Das ist immer ein Austarieren. Und im Moment ist sie, also gerade was das Werbethema angeht, schon sehr auf die Bäume hochgegangen, mit bis zu Plakaten, die sie durch Berlin und sonst wie gefahren haben, von wegen Cem Özdemir würde hier, was weiß ich, eine Ernährungsdiktatur oder was auch immer für einen Quatsch errichten. Das war schon wirklich krass, finde ich, was da kam. Aber da geht die Gesundheit der Kinder vor. Das muss man jetzt einfach an dieser Stelle sagen. Und die Werbeindustrie, die soll auch weiter ihr Geschäft machen, aber nicht mit ungesunden Lebensmitteln. Und ich glaube, da ist die Bevölkerung, und das sagen auch die Umfragen, weit hinter uns, dass sie sagen, wir wünschen uns, dass das wirklich eingeschränkt wird mit Kindern und ungesunden Lebensmitteln an Kindern. Da soll man eigentlich kein Geschäft machen. Aber da müssen wir uns tatsächlich auch in der Ampel noch einigen, weil da gibt es auch die Stimmen, die dann sagen ‚Na ja, aber die Kinder können es doch selbst entscheiden‘. Und das wissen wir ja, dass Kinder – und ich bin ja selber Mutter von vier Jungs – also das ist schon ‚Welchen Teller stelle ich denen hin? Übrigens stelle ich den meinen Kindern einen Teller mit Obst und Schokolade hin, greifen sie zum Obst. Also das kann man schon sagen. Also so kann man es ja auch ein bisschen machen.

Aber wenn du jetzt so dieses Thema, dass die Industrie da sich ein bisschen aufbäumt, nennst: bei so einer Ernährungsstrategie, sitzten da nur Danone, Nestle, vielleicht auch noch Dr. Oetker am Tisch? Oder sitzen auch kleine mittelständische Unternehmen, die vielleicht auch ihren Beitrag leisten können? Oder sitzen da jetzt nur mehr die, weil die anderen sauer sind wegen der Werbestrategie?

Nein, es sitzen alle da. Und ich will auch sagen, sicherlich waren jetzt so einige der Werbebranche und so weiter beunruhigt oder auch einige der Ernährungsindustrie, aber im großen Ganzen gehen die mit. Und auch gerade, wenn wir die Großen nennen, also es wird ja durch die Diskussion ja z.B. geguckt, wie wird der Fruchtjoghurt für Kinder umgestellt und dann ist der übrigens Nutri-Score-mäßig ein Traum und die können weiter auch dafür Werbung machen, weil sie eben unter den Zucker-, Fett- und Salzwerten sind, was die WHO, die Weltgesundheitsorganisation, als gesund ansieht. Also da merkt man ja auch, es soll ja auch eine Motivierung sein. Schaut euch noch mal die Produkte an. Das, was Kinder essen oder das, was wir alle essen, kann man das nicht sogar besser machen? Das war ja jetzt hier auch das Beispiel mit dem Kuchen. Ich glaube, da gibt es noch sehr viele Sachen und dann geht man da den Weg gemeinsam.

Hand aufs Herz, wie sehr kann man denn im Ministerium so eine erarbeitete Strategie auch dann in der Umsetzung kontrollieren? Also wie wird denn evaluiert, ob das, was jetzt hier auf dem Papier steht, auch tatsächlich was gebracht hat?

Das dauert sicherlich, weil wir die Ernährungsstrategie erst im Januar dieses Jahres, also vor vier Monaten beschlossen haben. Und das finde ich erstmal ein Riesenerfolg, also wirklich alle Ministerien der Bundesregierung, der jetzigen, haben zugestimmt. Und aus dieser Ernährungsstrategie kommen dann ja Handlungsfelder, die wir alle machen müssen, auch die anderen Ministerien. Und dann wird man gucken, ich weiß jetzt nicht, was wir da für ein Evaluierungszeitraum dann haben, aber wir haben den ja lang angelegt. Wir haben gesagt, das ist die Ernährungsstrategie ‚Gut und gesund essen‘ bis 2045 sogar. Also das ist auch über einen langen Weg angelegt. Aber wir wollen jetzt auch zügig natürlich, und das merken wir auch schon, die ersten Schritte gehen. Ja, so ist der Stand.

Alles hängt am Geld, wie viel wird investiert?

Ja, wir wissen ja, wenn man in der Tagesschau guckt, dass gerade das Geld in der Regierung nicht so stark ist, aber es geht ja auch immer darum, das zielgerichtet einzusetzen, das gut einzusetzen. Und das machen wir und da starten wir jetzt. Und wir merken halt auch, dass unsere Ministeriumsmitarbeiter auch ganz, also da auch unheimlich engagiert sind und da auch merken, da ist wirklich Musik drin. Also in dem, wie wir uns ernähren und ich glaube, das merkt ja auch jeder, der in einen Laden geht, verändert sich ja. Es ist ein anderes Angebot, es ist breiter und trotzdem das Altbekannte, das darf weiter sein. Und das zu begleiten, weiter fortzuführen und da stehen wir als Ministerium zur Seite, aber darum geht es ja auch: zur Seite zu stehen, auf der anderen Seite, das sind so super junge Unternehmer oder auch erfahrene Unternehmer, dass das Spaß macht, diese Menschen einfach auch zu erleben und zu begleiten.

Wenn du mal politisch träumen darfst, so 2045 hast du gesagt, wie werden sich denn dann die Deutschen ernähren?

Die werden sich wesentlich gesünder ernähren, sie werden sich regionaler ernähren. Das ist auch so ein Thema, was mir wichtig ist. Sie werden pflanzenbetonter sich ernähren. Die tierischen Lebensmittel, die auf die Teller gelangen, sind nachhaltig und gut innerhalb der Kreislaufwirtschaft erzeugt. Ich habe auch nichts gegen weltweiten Handel, auch der muss aber nachhaltig sein. Auch da tut sich einiges. Wir haben mit Neuseeland ein Freihandelsabkommen, was wesentlich nachhaltiger ist. Das heißt, das, was dann sozusagen – und da wird einiges in der Welt, das kann man dann in den Häfen sehen – einige Lebensmittel in der Welt hin und her geschifft. Aber das hat eben auch hohe Nachhaltigkeitsstandards. Und das ist schon das, so stelle ich mir das vor. Und natürlich sind für mich dann immer die Erzeuger sehr wichtig, die Bäuerinnen und Bauern in Deutschland und überall in der Welt, dass die auch wirklich als Marktteilnehmer, die sind oft das letzte Glied in der Kette oder das erste. Und die Bezahlung ist da oft nicht fair und gut. Also da auch eine Besserstellung und eine Wertschätzung. Das würde ich mir natürlich dann auch wünschen.

Jetzt hast du schon ein paar Mal die fleischlose Ernährung zur Sprache gebracht. Deutschland ist aber ja bei aller gesellschaftlicher Veränderung ja doch eine überwiegend fleischessende Nation noch immer. Wird sich daran was ändern, nach deinem Gefühl?

Also wir sehen ja jetzt, dass es sich schon stark ändert. Und ich sage gar nicht fleischlos, ich sage pflanzenbasiert. Es kommt dann auch auf die Menge an. Und das muss runtergehen, wenn man sagen will, wir wollen die Klimaziele erreichen und wir wollen tatsächlich auch die Gesundheit erreichen. Und da will ich aber auch den tierhaltenden Betrieben überhaupt keine Angst machen, weil es geht ja darum, weniger Tiere besser zu halten. Das heißt, da auch wirklich die Qualität zu heben. Da kämpfen wir auch um Tierwohlcent, um sonstige Dinge. Denn auch tierische Lebensmittel können hochqualitativ sein. Wichtig ist da übrigens auch wieder die Proteinstrategie. Was geben wir den Tieren? Machen wir die Soja aus Brasilien oder eben auch inländische Proteine? Auch da tut sich sehr viel. Also das gehört alles dazu. Aber da würde ich sagen, keine Verbotskultur, aber ausprobieren. Und es muss nicht dreimal am Tag Fleisch sein und es muss auch nicht jeden Tag Fleisch sein. Da kann man sicherlich einiges ausprobieren. Und ja, das ändert sich sehr.

Jetzt kommen aus dem Ministerium ja Initiativen, wie du gerade gesagt hast, die Tierhaltungssysteme zu verbessern, vor allem durch die finanzielle Unterstützung für den Umbau von Stellen. Ist das das richtige Signal?

Also beides. Auf der einen Seite diese Ernährungsstrategie, wo wir sagen, es geht um Gesundheit und da merken wir, ein Übermaß an tierischen Lebensmitteln ist nicht gesund, ist einfach das Maß der Dinge und auch nicht nachhaltig. Das ist ja beides. Und wenn wir dann nachhaltiger werden wollen, müssen wir weniger tierische Produkte essen. Aber auf der anderen Seite gilt es natürlich, das, was es an tierhaltenden Betrieben gibt, dass wir die eben weiterentwickeln, und das wollen sie auch. Wir haben ja verschiedene Sachen jetzt schon gemacht. Wir haben das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz gemacht, also ab nächstem Jahr wird man, wenn man in den Lebensmitteleinzelhandel geht, wo auch immer, also wollen wir jetzt ja keine Namen nennen, dann wird man auf den tierischen Produkten Fleisch – beim Schweinefleisch, wir werden jetzt erstmal nur mit Schweinefleisch anfangen – wird man sehen, es ist bio, es ist es Freiland, Außenkontakt, Stall plus oder Stall. Also man kann das schon mal entscheiden und der Verbraucher kann mitentscheiden und auch etwas mehr Geld ausgeben für eine tierwohlgerechtere Haltung. Das ist das eine. Und das andere ist, dass wir dann gesagt haben, okay, wir überlassen es nicht nur dem Verbraucher, sondern es ist einfach so, bessere Tierhaltung kostet Geld für den Erzeuger. Und dann haben wir gesagt, wir nehmen Geld in die Hand. Das heißt, wenn welche umbauen wollen, dann bekommen sie Umbauunterstützung. Aber sie sagen halt gerade, die laufenden Kosten sind wesentlich teurer, als wenn ich die eng und ohne Beschäftigung und so halte. Das heißt, man kann jetzt auch ab 1. April, wenn man Schweine hält, ab einem ganz schön hohen Standard, die brauchen schon Beschäftigung …

Das heißt, es wird dann von unerträglich schrecklich zu schrecklich.

Nee, das ist dann schon auch, ich bin ja auch Tierärztin, also das ist dann auch Wühlen und Beschäftigung und diese Geschichten. Dann bekommt man sogar einen Betrag für die laufenden Kosten. Wir haben da den Standard schon sehr hoch gesetzt und würden dann die laufenden Kosten unterstützen. Das hat mal das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung unter Borchert, das ist ein Agrarminister a.D., erarbeitet. Und wir wünschen uns ja den Tierwohlcent. Das heißt, wir würden gerne allen Bäuerinnen und Bauern, die Tiere halten, ermöglichen, wenn sie ihre Tiere nach wirklich hohen Standards halten und das wäre dann sehr teuer, dann kämen wir wieder in die Gerechtigkeitsdebatte, dann ist es eigentlich kaum bezahlbar. Man sieht ja, was kostet Bio-Pute, das ist ja drei, vier Mal so viel. Also die, die es sich leisten können, sollen es dann bitte auch machen. Aber es kann sich natürlich nicht jeder leisten. Und das sozusagen zu stützen, dass wir sagen, die eben anders erzeugt wird, da wird eine gewisse Unterstützung kommen, bisschen teurer wird es dann immer sein, um dann tatsächlich weniger Tiere besser zu halten. Das ist das Ziel unseres Umbauprogramms und da würde ich mir natürlich viel mehr wünschen. Ich bin ja Tierärztin, mir ist schon wirklich wichtig, dass wir unsere Tiere hier in Deutschland besser halten.

Kleines Zahlenbeispiel: Weltweit wird der Markt für pflanzliche Proteine auf $13 Milliarden geschätzt. Das klingt ja erstmal viel, für pflanzliche Proteine 13. Wenn man allerdings jetzt weiß, dass der weltweite Markt für tierische Proteine 2,5 Billionen ist, also 2500 Milliarden, dann ahnt man, dass so eine Debatte über alternative Proteine wie so eine Fliege im Schweinestall ist. Also selbst bei aller Anstrengung werden die Pflanzenproteine auch in sieben Jahren nicht mehr als 1 % des totalen Bedarfs decken. Und da frage ich mich, ist es nicht eher auch wichtig zu sagen, man unterstützt Bauern, die auf eine pflanzliche Landwirtschaft umsteigen?

Ja und deswegen haben wir das Chancenprogramm Höfe seit diesem Jahr auch angestoßen von der grünen Fraktion, um tatsächlich, wenn ich nicht mehr in meiner tierischen Haltung sein will, gibt es Alternativen. Also weil, man muss ja gerade wissen, viele Betriebe, weil manche denken dann auch ganz sicherlich naiv, ach ja, dann hält man keine Schweine und baut Gemüse an. Aber gerade Schweinehaltung ist in Regionen, wo eher Böden sind, die gar nicht für Gemüse geeignet sind, das ist dann nicht einfach. Also man kann nicht einfach umstellen. Und da steht ja auch eine Familie dahinter, eine bäuerliche Familie. Und Bauernhöfe wollen wir im großen Ganzen erhalten, also Chancenprogramm Höfe, um dann zu überlegen, was kann man tatsächlich alternativ machen? Da gibt es verrückte Sachen, von Algen, die man da in den Ställen macht, bis Pilzgeschichten. Also da gibt es ganz viele Sachen.

Oder man stellt einen Reaktor hinein, wo man dann das kultivierte Fleisch züchtt.

Wenn es so weit ist, geht das auch. Aber das sind dann, glaube ich, wahrscheinlich sogar höhere Kosten. Aber gut, dann wäre die Fläche auf jeden Fall da und eine Umnutzung müsste man dann auch…

Oder Drucker. Der Bauer fängt dann an, sein Fleisch zu drucken.

Ja, das ist dann noch mal die Zukunftsmusik. Aber ich denke, da kann man auf jeden Fall was machen und viele wollen auch. Und dann müssen wir das natürlich unterstützen. Also das ist, glaube ich, eine gute Sache, um tatsächlich eben immer entlang der gesamten Wertschöpfungskette an die Herausforderung anzudocken.

Liebe Ophelia, ich habe auch mal die Podcasthörer und -hörerinnen gefragt, was sie denn gerne von dir wissen möchten. Und da kam auch ein ganz interessanter Aspekt auf und das möchte ich natürlich gerne fragen. Warum gibt es denn z.B. keine verpflichtende Abgaben über CO2-Ausstoß bzw. Wasserverbrauch bei Tierprodukten? Das könnte doch bei etlichen Konsumenten zum Nachdenken führen. Möchte jemand wissen oder vorschlagen.

Ne, der Vorschlag ist gut, wird sehr heiß diskutiert. Das Thema ist tatsächlich, und da sieht man immer, es gibt, ich sag mal beim Auto kann ich da einen Filter ran und dann weiß ich, was ist die Klimaemission, also die CO2-Emission. Das ist noch nicht ganz so einfach in der Landwirtschaft. Wir haben Methan, Lachgas und CO2. Und wir müssten tatsächlich dieses was ist die Klimabilanz eines Hofes oder eines Produktes tatsächlich dann so fest haben, dass man es gesetzlich macht. Was aber ganz viel passiert auf den Höfen, dass die ihre Klimabilanzen erstellen. Und es gibt auch Klimaberater, z.B. in Hessen, auch noch aus grüner Regierung, die wirklich auf die Höfe gehen, diskutieren und dann sagen, das müsst ihr umstellen, da müsste irgendwie eine Platte über den Mist und was auch immer man dann eben machen kann, andere Art des Ackerbaus, und so weiter, um wirklich die Klimaemissionen runterzubringen. Also das ist ein superspannendes, sehr komplexes Thema. Das Thema aber, auf der einen Seite CO2Abgabe, das wird wahrscheinlich kommen. Und das andere ist aber auch, kann ich, wenn ich besonders klimaschonend, bzw. sogar CO2 speicher – weil die Landwirtschaft, die kann ja CO2-senkend sein, wenn die Humusaufbau betreibt, dann speichert sie CO2. – kann man dafür nicht sogar was geben? Also das sind spannende Diskussionen und das wäre dann übrigens ja auch wiederum das, was wir in die Landwirtschaft bringen könnten, wenn wir sagen, ihr macht besonders, ja, ihr seid Klimasenker, klimaschädliche Gassenker, dann kriegt ihr sogar Geld dafür.

Eine weitere Frage dreht sich wieder um Alternativprodukte, Schwerpunkt Milchalternativen. Alternativprodukte, Bioprodukte können ja gar nicht preislich mit anderen, also mit konventionellen konkurrieren, insbesondere bei konventioneller Landwirtschaft. Müsste man politisch nicht gerade diese Produkte und Innovationen mit Subventionen fördern?

Ja, beziehungsweise tatsächlich mal eine ökologische Mehrwertsteuer, eine Mehrwertsteuerdebatte machen und das dann tatsächlich novellieren. Also es ist ja, dass wir z.B. sagen, gesunde Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte auf null setzen, Fleisch höher setzen. Da gibt es ja immer noch, wie gesagt, den Tierwohlcent, also eine Fleischabgabe, das ist, glaube ich, schon was, wo man steuern könnte. Und ich glaube, das wäre auch gut. Und dann würde man ja, die pflanzliche Milch ist ja 19 % und die tierische meine ich sieben. Eine Gleichstellung wäre darüber wahrscheinlich schon.

Das sind, glaube ich, beides sieben, was ich so mitkriege.

Gut, dann ist das so. Ich meine, dass die Hafermilch höher ist und dass das auch eine Forderung ist der pflanzlichen Milchprodukte-Hersteller.

Ich werde gleich mal meine Hafermilch kaufen gehen. Das ist auch ein gutes Thema. Bleibt das Thema gesunde Ernährung mehr als ein politisches Wunschprojekt? Hoffen wir uns, dass die Verbraucher klüger sind als erwartet, wenn es um ihre Gesundheit geht?

Also das Verrückte ist ja, also verrückt irgendwo nicht, vielleicht auch nicht. Die Gesundheit des einzelnen Menschen bestimmt tatsächlich darüber, ob wir auch auf diesem Planeten gut und gesund die nächsten Generationen leben können. Tatsächlich ist das Essverhalten sehr wichtig und deswegen machen es ja auch viele. Viele machen es aus Nachhaltigkeitsgründen. Aber es ist schon so, wenn man pflanzenbasiert und all diese Dinge macht, dass man tatsächlich auch einen Beitrag macht zum Planeten. Ich persönlich bin da nicht so strikt. Ich glaube, wenn man Tiere, die in einer guten Kreislaufwirtschaft leben, dann kann man auch tierische Produkte essen. Und ich persönlich mache das auch. Aber es geht tatsächlich um das Maß der Dinge. Und da verlieren wir manchmal das Maß mit uns, mit dem Planeten. Und das wünsche ich mir einfach, dass wir da viel mehr in das Maß kommen, was uns allen guttut, damit wir und unsere Kinder und unsere Enkel hier gut auf dem Planeten leben können.

Ja, liebe Ophelia, vielen Dank. Wir haben ja während unseres munteren Gesprächs fast zuckerfrei knabbern dürfen, ohne schlechtes Gewissen. Also zwar Novel Food, aber trotzdem denke ich, recht lecker. Vielen, vielen Dank für das Gespräch, liebe Ophelia. Auf dass das Leben lecker bleibt.

Genau, darum geht es nämlich als allererstes. Es muss erst mal gut schmecken. Deswegen danke für das Gespräch, hat mir sehr Spaß gemacht.

Das war’s für heute von Food Fak(t). Nach diesem politischen Schlemmergespräch brauche ich jetzt einen starken Espresso, ausnahmsweise mit ganz viel Zucker. Wer Infos über Ophelia Nick oder die Ernährungsstrategie sucht, auf unserem Instagram Kanal foodfakt_podcast gibts alles zu dieser Folge, auch das Rezept für den Orangenkuchen. Und bitte, bitte nicht vergessen, ich freue mich auf euer Voting beim deutschen Podcastpreis, denn jede Stimme zählt. Bleibt neugierig, informiert und natürlich genießt das Leben in vollen Zügen. Baba und Servus, bis zum nächsten Mal.