Darum gehts in dieser Folge

Wie schaffen wir es, dass sich unsere Ökosysteme nachhaltig regenerieren, also erholen – und wir Menschen gleich mit? Ganz einfach: durch einen echten Wertewechsel. Wie dieser aussehen kann und warum der Begriff Nachhaltigkeit viel mehr fasst, als wir denken, darüber rede ich mit der Future-Food-Expertin, Buchautorin und Speakerin Denise Loga.

Hier die ganze Folge zum nachlesen

Servus und herzlich willkommen zu Food Fak(t). Ich bin Stefan Fak, euer Gastgeber. Bei Food Fak(t), ja, da widmen wir uns der Welt der Ernährung und wir servieren die aktuellsten Trends rund um das Thema Lebensmittel. Uns interessiert: Was werden die Menschen in Zukunft essen? Wie werden sich die Menschen künftig ernähren? Dafür müssen wir gar nicht so in die Glaskugel schauen, denn es gibt heute schon viele Lösungen und ganz viele Denkansätze für all die Probleme. Und die Probleme, ja, die haben wir ja genug. Und über die können wir täglich in den Nachrichten lesen. Daher möchte ich hier vor allem sprechen über Lösungen und Gedanken, die keine schreierischen Schlagzeilen wert sind und die hier ihren Platz finden sollen. Es geht um positive Ansätze und wir schauen uns gemeinsam an, wie wir unsere Ernährung in der Zukunft in den Griff bekommen können. Unser heutiger Gast ist Denise Loga. Sie ist Expertin für Ernährungstrends, sie ist Buchautorin und sie beschäftigt sich vor allem mit einem Themenbereich, der sich Regeneration nennt. Was das genau ist und warum das jetzt aus ihrer Sicht so besonders wichtig ist und vieles, vieles mehr, das erzählt sie uns jetzt. Hallo liebe Denise, herzlich willkommen bei Food Fak(t).

Hallo. Es freut mich sehr, hier zu sein.

Ja, und du wirst doch gleich zu Beginn belohnt. Und zwar habe ich uns zwei ganz neue Schokoladensorten von Lovechock mitgebracht. Ich weiß nicht, ob du die Marke kennst. Das ist ein Unternehmen, das aktiv Kakaobauern unterstützt. Die werden fair bezahlt. Die Schokolade ist bio, sie ist vegan, sie ist in einer kompostierbaren Folie und wird manuell produziert. Da gibt es jetzt zwei Sorten: Cozy und Passion. Magst du mal eine probieren und aufmachen?

Sehr gerne, Cozy.

Das ist ein gutes Motto für unser Gespräch.

Sehr vorbildlich mit der Verpackung.

Ich mache vielleicht Passion auf.

Ja, ein bisschen Passion kann nicht schaden.

70 Gramm für eine halbe Stunde, das ist ja gerade mal ausreichend. Passion ist ziemlich pink, mit Pinkberries.

Pink Passion.

Sehr lecker. Ist mit Kokosblütenzucker, also raw hergestellt, auch roh.

Ich probiere davon auch mal ein Stück.

Sehr zart, sehr fruchtig, lecker.

Samtweich.

Eine Frage dazu. Eine Tafel á 70 g kostet circa 3,20 € im Geschäft. Im Vergleich dazu zaubere ich mal so Glas Nutella aus dem Rucksack und für das Geld zu einer kleinen Tafel Schokolade bekomme ich ein Pfund Nutella, also 450 bis 500 g, also ungefähr das Siebenfache. Was denkst du, wo greifen die Leute eher hin? Zu dem Nutella oder zu der 70 g Tafel?

Das kommt natürlich darauf an, mit was für Werten die Menschen einkaufen und was für ein Qualitätsbewusstsein sie haben. Ich würde natürlich persönlich immer zu der nachhaltig hergestellten Lovechoc-Schokolade greifen, weil es nach ökologischen und sozialen Bedingungen eben sehr fair und gut hergestellt ist. Ich weiß tatsächlich nicht, wann ich das letzte Mal Nutella gegessen habe. Es muss irgendwann in der Kindheit gewesen sein. Also, wenn Menschen oder Konsumentinnen ein sehr bewusstes Mindset haben für Ernährung, für Produktion und Konsum, dann greifen sie natürlich auch eher zu dem teureren Produkt, weil das in gewisser Weise auch eine politische Entscheidung ist. Einkaufen ist wie wählen gehen. Was ich aufs Band lege, zeigt ja auch, wofür ich stehe und in was für einer Welt ich leben möchte.

Jetzt ist ja nutella der klassische Schokoaufstrich. Die Mehrheit der Deutschen liebt das. Es ist in der Werbung, also das ist ja quasi das Gold aus Italien. Und trotzdem sagst du, das ist ja eigentlich gar keine gute Idee, das zu konsumieren, weil es vielleicht auch nicht so nachhaltig ist. Wie bringen wir denn den Verbraucherinnen und Verbrauchern bei, dass sie vielleicht weniger oder gar nicht Schokolade konsumieren, die nicht nachhaltig ist?

Also ich denke, dass es wichtig ist, keine Verzichtsdebatte daraus zu machen. Und es ist auch nicht verwerflich, ab und zu Nutella zu konsumieren. Das ist ja auch so ein bisschen Soulfood oder was, was einem gut tut oder Kindheitserinnerungen weckt, wie du es angesprochen hast. Also natürlich können wir über Bildung zum Thema gesunde Ernährung am Konsumverhalten schrauben. Sicherlich ist der Preis, wie du auch anfangs angesprochen hast, ein großer Punkt. Wann ist es möglich, dass wir nachhaltig produzierte Produkte eben mehr preiskompetitiv anbieten können? Und ich denke, dass tatsächlich Aufklärung in Form von Bildung, aber auch Werbung und eben Aktionen in Supermärkten dort eine wichtige Rolle spielen.

Gut, jetzt bist du ja keine Schokoladentesterin, sondern du bist eine Expertin für zukünftige Ernährungstrends und Buchautorin. Welche Veränderungen und Trends im Bereich Lebensmittel siehst du denn? Wo steuern wir denn da hin?

Ja, also im Moment sehen wir gerade in der Art und Weise, wie wir Lebensmittel produzieren und konsumieren, sehr viel Degeneration. Also es gibt natürlich immer wieder tolle Beispiele, wie jetzt hier Lovechoc. Aber wenn wir uns das große Bild anschauen, wenn wir auch Klimabedingungen oder die Klimakrise anschauen, dann laufen wir in eine Richtung, die weder der Natur noch dem Menschen gut tut, weil einfach unsere Werte mehr auf Profit und Gewinnmaximierung und kurzfristige Erfolge fokussiert sind, anstatt auf Wohlergehen von Mensch und Natur. Und es ist sehr wichtig, dass wir fundamental die Art und Weise, wie wir wirtschaften, überdenken. Denn nur regeneratives Wirtschaften ist zukunftsfähiges Wirtschaften. Regenerativ bedeutet, noch über die Nachhaltigkeit hinausgehen und wieder Ökosysteme und auch menschliches Wohlergehen aufbauen. Nicht nur schützen, sondern wieder aufbauen und in Erholung gehen.

Welche Rolle spielt denn da die Technologie? Also welche Technologien werden wir denn in Zukunft brauchen, um einen solchen Konsum zu ermöglichen, solche Produkte am Markt zugänglich zu haben?

Also Technologien sind sehr wichtig. Aber ich sehe tatsächlich, dass immer ein zu großer Fokus auf Technologie liegt. Es gehört noch mehr dazu. Ich warne davor, dass wir so weitermachen wie bisher und dann sagen, ja, die Technologie wird es schon richten. Es braucht auch vordergängig einen gewissen Mindset-Shift und auch eine Bereitschaft, anders zu wirtschaften und andere Werte in den Mittelpunkt zu stellen, nämlich sich auf die Gesundheit von Natur und dem Menschen zu fokussieren. Aber Technologie kann hier natürlich auch helfen, weil Regeneration bedeutet auch, die Dinge wie früher machen, mit dem Wissen von heute. Und so kann ich z. B., um was ganz Konkretes anzugeben, Technologie nutzen, um gezielter zu düngen oder einzelne Pflanzen auf dem Acker, die befallen sind von Schädlingen, zu behandeln, anstatt direkt ganz viele Pestizide über das ganze Feld zu streuen, was dann auch wieder die Böden belastet. Es ist ein Einklang aus „mit den Prinzipien der Natur handeln“ und dem Wissen von heute und die Technologie von heute zu nutzen.

Ist es nicht auch ein bisschen ein Widerspruch: Technologie versus dem Trend, dass man sein Essen möglichst natürlich, möglichst bio, frei von Zusätzen haben möchte und unbehandelt? Jetzt sagst du: weniger Chemie, aber trotzdem ist ja die Frage, wie wird man denn die bald 10 Milliarden Menschen auf der Erde ernähren?

Genau, reden wir mal über das große Thema Fleischkonsum, weil wenn wir über die Zukunft des Essens reden, dann ist das tatsächlich das entscheidende Thema. Und da sehe ich in der Technologie, also wenn wir z. B. über Präzisionsfermentation oder kultiviertes Fleisch, also alternative Proteine oder auch pflanzenbasierte Proteine nachdenken, dann sehe ich einen großen Wert, um eben die Belastungen für Tiere und Umwelt zu minimieren. Das sind natürlich Brückenlösungen. Im Moment essen wir einfach viel zu viel Fleisch, vor allem auch viel zu viel schlecht produziertes Fleisch. Ich spreche jetzt ganz explizit die Massentierhaltung an. Da kann die Technologie helfen, indem natürlich kultiviertes Fleisch oder auch pflanzenbasierte Alternativen dort Erleichterung verschaffen.

In welchem Zusammenhang stehen dann diese Fleischalternativen mit der Regenerationsidee? Weil du vorhin gesagt hast, es geht sozusagen um Regeneration.

Ja, also es geht vor allem um die Ökosysteme. Eine Massentierhaltung ist eine unglaubliche Belastung für die Ökosysteme, für das Klima, auch für die menschliche Gesundheit und für die Tiere sowieso, das ist an allererster Stelle. Und eben dort Erholung und Regeneration zu schaffen und zu gewissen Maß auch Heilung, das unterstützt den regenerativen Gedanken in dem Sinne.

Finde ich toll, ist ein toller Gedanke. Um jetzt wieder ein bisschen zum Heute zurückzukehren, ich habe da einen gewissen Widerspruch beim Thema Nachhaltigkeit. Der Konsument, die Konsumentin, wenn man sie fragt oder ihn fragt, wird ja sehr oft sagen, ja Nachhaltigkeit, natürlich, das möchte ich haben. Gleichzeitig ist die Bereitschaft relativ gering, die eigene Bequemlichkeit aufzugeben, Abstriche in der Qualität zu machen und eventuell auch mehr zu zahlen.

Das stimmt.

Das heißt, wie kriegt man denn die Leute dazu, Nachhaltigkeit zu leben? Und die nächste Frage ist, wenn jetzt schon das Konzept der Nachhaltigkeit so schwierig in der Praxis umzusetzen ist, ist das nicht dann vielleicht sogar eine Überforderung zu sagen, wir gehen jetzt einen Schritt weiter, wir sind jetzt bereit für Regeneration?

Da sprichst du einen sehr wichtigen Punkt an. Das stimmt, aber ich komme aus der Zukunft oder ich denke sehr in die Zukunft. Also ich denke immer langzeitig und in großen Horizonten. Aber das stimmt. Tatsächlich ist auch bei vielen Unternehmen Nachhaltigkeit, also vom systemischen Gedanken her, noch nicht richtig angekommen. Sie verstehen das hauptsächlich unter ökologischen Punkten und Energieeinsparen, Recycling. Aber dass es auch bedeutet, Mitarbeiter zu fördern, zu entwickeln und auch zum Kern ihres Geschäftsmodells zu machen, das ist bei vielen Unternehmen noch nicht angekommen. Und Nachhaltigkeit muss nicht teuer sein. Ich kaufe jeden Samstag auf dem Wochenmarkt alles an Obst, Gemüse und anderen Produkten für die Woche ein und wenn es jetzt rein um den Preis geht, es gibt es immer Sachen, die gerade in Saison sind, das ist nachhaltig, die vom Bauernhof um die Ecke kommen. Und das muss dann auch nicht immer unbedingt das Bio-Zertifikat haben, weil das regionale Bauern sind und wenn man sich mit denen austauscht, dann produzieren die vielleicht schon sehr ökologisch, aber die haben jetzt nicht unbedingt das Zertifikat. Da geht es auch viel um Austausch mit dem Produzenten und wieder mehr Transparenz schaffen, wo kommt mein Essen her? Und wenn ich Sachen kaufe, die in der Saison sind, die lokal angebaut werden können, die vielleicht auch gerade im Angebot sind, dann muss das alles gar nicht so teuer sein, wie wir denken. Für mich kommt es gar nicht in Frage, etwas anderes zu kaufen als nachhaltig produzierte Lebensmittel, weil das eben auch für meine Werte steht und für die Welt, in der ich leben möchte und die eben auch für mich der einzige zukunftsfähige Weg ist für uns zum Überleben.

Ich verstehe, was du sagst. Gleichzeitig ist es so, dass ein Freund von mir am Samstagabend zum Discounter geht und dort kauft, was er kriegen kann, weil dort das Lebensmittel dann 50 % kostet. Und da ist er nicht alleine. Also das ist ja jetzt kein Exot. Das heißt, die Menschen haben enormen Überlebensdruck und auf jeden Fall wenig Geld am Ende in der Tasche. Und wenn die dann die Himbeeren um 50 % reduziert kriegen, wenn es überhaupt die Himbeeren sind, sondern vielleicht die Tomaten, dann gucken die natürlich nicht, ob das jetzt aus einer spanischen Monokultur kommt oder vom Bauern ums Eck. Was sagen wir diesen Leuten? Also fühlt sich der nicht ein bisschen verarscht, wenn ich dem jetzt sage, gehe auf den Wochenmarkt und kaufe das Kilo Kartoffeln statt für 5 € für 4,10 €?

Ja genau das, was ich vorher gesagt habe, trifft natürlich auf die Menschen zu, die eine Wahl haben. Ich meine, wir versuchen alle, unseren Teil dazu beizutragen und natürlich muss erst mal mein grundsätzliches Überleben gesichert sein, bevor ich mir solche Fragestellungen stellen kann oder bevor ich solche Entscheidungen treffen kann. Also ich sehe diese Problematik und da sind dann an dieser Stelle vielleicht Unternehmen und die Politik auch gefragt, um eben auch Menschen mit geringeren finanziellen Möglichkeiten Zugang zu gesundem, nährstoffreichem Essen zu ermöglichen.

Das heißt, du kommst aus der Zukunft und genau genommen müsste ich sagen, du bist eine Zukunftslobbyistin. Welche Rolle spielt der Lobbyismus?

Du meinst also, wie wir Einfluss auf die Politik oder politische Entscheidung nehmen können?

Also ich finde es gerade einen sehr interessanten Gedankengang, was du sagst, weil der Mensch, der jetzt beim Discounter steht am Samstagabend, der kann sich nicht wehren, der muss diese Kartoffel für 0,50 € kaufen oder für 1 €. Aber wer sehr wohl helfen könnte, wäre ja eigentlich die Industrie oder der Politiker, die Politikerin, indem sie einfach sagt, okay, die und die Lebensmittel werden vielleicht nicht mehr angeboten oder die und die Lebensmittel müssen anders produziert werden.

Genau, oder werden subventioniert.

Ist das eine Diskussion, die es gibt?

Ja schon. Es gibt natürlich auch Vereine und Stiftungen, die sich dafür einsetzen. Gerade für den Teil der Bevölkerung, der eben in den finanziellen Möglichkeiten eingeschränkt ist, für den müssen wir auch schauen, wie können wir dort jede einzelne Bürgerin, jeden Bürger mitnehmen. Und das kann sowohl über Lösungen sein, wie dass man Gemüse z. B. aus regionalem Anbau subventioniert und gesündere Produkte anbietet, oder auch die Gemeinschafts- und Außerhausverpflegung spielt da auch eine große Rolle. Viele Menschen essen tagtäglich in Mensen und in Cafeterien. Und dort hat sich auch sehr viel getan. Also dass es viel mehr vegetarische, vegane, frische Angebote gibt. Nicht mehr nur die klassische Bratwurst und das Schnitzel oder Currywurst, obwohl das natürlich immer auch noch Renner sind, ist ja auch okay. Aber da hat auch ein großer Wandel stattgefunden. Und das Entscheidende ist, dass der Wandel von verschiedenen Ebenen kommen muss. Also von dem Gemeinschaftsverpfleger, von dem Anbieter, von der Politik, die eben gewisse Rahmenbedingungen setzt, kommen, als auch von mir als Konsumentin oder als Konsument mit einem Bewusstsein. Ich kann es mir vielleicht gerade nicht leisten, aber ich finde, der erste Schritt ist schon, sich bewusst zu machen, was konsumiere ich eigentlich, was stecke ich mir jeden Tag in meinen Körper rein? Es hat ja auch was mit Wertschätzung mir gegenüber und meiner Gesundheit gegenüber zu tun. Jetzt mal unabhängig von der Natur und dem Planeten und der Zukunft. Wenn ich mich gesund und frisch ernähre, dann geht es mir auch besser. Das hat sehr viel mit Selbstwertschätzung zu tun. Und ich finde, der erste Schritt ist schon, ein gewisses Bewusstsein dafür zu schaffen. Wir müssen noch nicht mal die Kaufentscheidung ändern, aber zumindest, dass ich mir darüber bewusst bin, was ich tue und was ich esse.

Ein guter Punkt. Ich habe nämlich auch Freunde, die fahren mit dem Mercedes rum und gehen dann trotzdem zum Discounter und kaufen die 50 % Sachen.

Ja, das ist natürlich so ein Kulturproblem, beziehungsweise ein Phänomen, lass es mich mal so formulieren. Das passiert natürlich in Italien nicht oder in Frankreich. Ich weiß nicht genau, wie es in Österreich ist. Ich habe das Gefühl, in Österreich ist die Wertschätzung, ähnlich auch wie in der Schweiz, viel höher für Lebensmittel, aber damit auch die Bereitschaft höher, dafür Geld auszugeben. In Deutschland ist schon noch eine starke Discountkultur und billiger ist mehr. Und ja, das Lebensmittel genießt da nicht so hohe Wertschätzung wie in anderen Ländern.

Fairerweise muss man sagen, Discount muss ja auch nicht unbedingt immer schlecht sein.

Nö, genau.

Also es gibt ja auch einige, die sich da jetzt mit Bioland-Zertifikaten, Naturland-Zertifikaten schmücken und da auch glaube ich ja recht glaubwürdige Ansätze fahren. Einer dieser Discounter hat ja jetzt gerade Lebensmittel zum wahren Preis angeboten, inklusive der Umweltfolgekosten. Wie fandest du die Aktion?

Also ich fand die Aktion super, hat ja leider nur eine Woche gedauert. Aber das ist wieder das Thema Bewusstsein und Information und Transparenz schaffen, weil diese wahren Kosten sind einfach krass. Was muss ein Lebensmittel eigentlich wirklich kosten? Und da können Konsumentinnen und Konsumenten auch gar nichts für, weil sie natürlich verschleierte Preise seit Jahrzehnten im Supermarkt einkaufen und für diesen Aha-Effekt und dieses kurze Bewusstsein „Wow, so teuer muss Fleisch eigentlich sein“ finde ich das super.

Es gab allerdings eine Presseaussendung gerade, dass dieser Discounter einen millionenfachen Verlust eingefahren hat mit der Aktion, weil die Leute die Waren nicht gekauft haben, weil sie dann einfach zu teuer waren.

Genau, was ähnliches habe ich auch angenommen, weil das ist ja auch ein Prozess, wenn ich die wahren Preise ausweise. Da ist natürlich klar, dass die Kunden nicht von heute auf morgen sagen „Ach ja, dann kauf kaufe jetzt das gleichen Produkte für den dreifachen Preis“, sondern sie gehen lieber zum anderen Discounter um die Ecke, wo die üblichen Preise sind. Aber das ist klar, dass damit erst mal Verlust gemacht wird, weil das ja ein Kulturwandel oder ein Mindset-Wandel ist und das kann natürlich nicht von heute auf morgen passieren. Natürlich gucke ich was habe ich heute in der Tasche und wenn das 10 € sind, dann gehe ich natürlich zum Laden nebenan und bezahle den gewohnten Preis. Aber in irgendeiner Form wird schon was hängen bleiben und in irgendeiner Form werden sich Menschen schon darüber Gedanken machen.

Mein Eindruck ist ja, es gibt mittlerweile fast so viel militante Vegan-Hasser und -Hasserinnen wie militante Veganer. Also es ist so ein riesiger Gap mittlerweile und gerade aus der einen Ecke der Kritikpunkt bei der Aktion, dass vor allem tierische Produkte drinnen waren und nur ein veganes Produkt. Wie siehst du das? Hat man da versucht, etwas zu verzerren oder war das einfach nur einfacher darstellbar oder ist für tierische Produkte nach wie vor die Akzeptanz höher?

Also tierische Produkte haben natürlich den größten Fußabdruck, also insbesondere Fleisch aber auch Milchprodukte haben besonders starke negative ökologische Auswirkungen und deswegen ist es gut, das gerade bei tierischen Produkten zu machen, weil sie eben auch in Massen konsumiert werden. Viel mehr auch, als es unserer Gesundheit guttut. Und deshalb finde ich persönlich gut, dass da hauptsächlich tierische Produkte genommen wurden, weil dort eben eine ganz große Preisverschleierung stattfindet und die wahren Kosten für die menschliche Gesundheit, für auch Menschen, die entlang der Wertschöpfungskette arbeiten von tierischen Produkten als auch auf die Natur und das Klima ausgewiesen werden.

Könntest du dir vorstellen, dass bei so einer Aktion auch ein regeneratives Produkt angeboten wird?

Ja, das fände ich super, da würde ich sofort mitmachen.

Was wäre das dann zum bei Beispiel? Wie stelle ich mir ein regeneratives Produkt bei Aldi, Lidl oder Penny vor?

Es kann z. B. was aus Nebenströmen sein. „All streams are mainstreams“, da habe ich immer den Professor Thilo Hühn von der ZHAW in der Schweiz in Zürich im Kopf. Also dass es z. B. gar keine Abfallprodukte mehr gibt, dass wir nur noch in Kreisläufen denken, in der Wertschöpfung von Lebensmitteln. Und es kann ja manchmal bei der Produktion Trester anfallen oder Mandelschalen oder Mandelsplitter und die werden weggeschmissen im Moment oder die kommen ins Tierfutter. Aber daraus könnte man natürlich irgendwie einen Riegel machen, den in einer tollen Folie wie hier von Lovechoc, also kompostierbar verpacken und dort eben mit lokalen Bauern, Landwirten zusammenarbeiten. Gut, für die Mandeln trifft das jetzt nicht so zu, vielleicht für Haselnüsse oder Walnüsse, weil die Mandeln natürlich nicht bei uns vor der Tür wachsen, aber Regeneration bedeutet einfach, auch alle Menschen bei der Wertschöpfung mitzudenken und auch Entscheidungen so zu treffen, dass sie sowohl der Gesundheit der Menschen als auch der Natur dienen. Und das hört sich jetzt erstmal immer so global galaktisch an, aber das ist auf Produktebene gar nicht so schwer umzusetzen. Es geht halt darum, diesen zirkulären Gedanken zu haben, sich von der Natur inspirieren zu lassen und ja, ein gutes, leckeres Produkt rauszubringen.

Toll, also ich bin schon fast überzeugt. Hast du Beispiele? Was wäre für dich das Paradeprodukt?

Also pass auf, das absolute Pionierunternehmen ist natürlich Patagonia. Jetzt denkt man erstmal „Ach so, das ist ja nur Bekleidung.“ Aber sie haben auch Patagonia Provisions gegründet. Das ist nur Food. Das ist jetzt noch klassisches Food, was man eben, wenn man Outdoor-Aktivitäten macht, dabei hat, also so Heringe in der Dose oder getrocknete Früchte und Nüsse. Das, was die machen, ist sozusagen par excellence. Es geht darum, keinen Müll zu produzieren, in Kreisläufen zu denken, nur gesunde Produkte rauszubringen, mit der regionalen Wertschöpfung und lokalen Produzenten zusammenzuarbeiten und dann eben auch das Plastik in der Verpackung zu reduzieren. Und dann ist es schon erstmal schon auf einem sehr, sehr guten Weg.

Toll. Und wer mehr wissen möchte, kann ja auch dein Buch lesen „Connect Yourself!“.

Ja, “Connect Yourself!”, genau.

Das habe ich mir besorgt und noch brav durchgelesen. Ich finde es ganz spannend und für mich war so ein bisschen auch die Frage, warum Regionalität so eine große Rolle spielt? Ich war unlängst beim Außenwirtschaftstag der Agrar- und Ernährungswirtschaft und dort habe ich einen Vortrag gehört von dem Professor Qaim und der hat der hat sehr, sehr bunt geschildert, dass die Anbauflächen in Deutschland ja begrenzt sind und dass die Treibhausesemissionen im Bereich Transport in der Ernährung ja nur 5 % ausmachen, während das meiste der Treibhausemissionen zurückzuführen ist auf die Rodung von Anbauflächen. Das heißt, scheinbar ist der Transportweg gar nicht so das Problem. Also warum ist dann Regionalität in dem Buch so ein Thema? Also warum ist es wichtig, dass ich mir jetzt z.B. vom Wochenmarkt etwas hole?

Also es geht zum einen natürlich darum, regionale Produzenten zu unterstützen, also da wo ich wohne, eben auch die lokalen und regionalen Wirtschaftsstrukturen zu fördern. Was beim Transport noch ist: frische Lebensmittel, die vom Acker geerntet werden, werden dann lange eingelagert oder lange transportiert auf dem Schiff oder sind wochenlang unterwegs. Je frischer das Produkt, umso besser. Da spielt auch das Thema Nährstoffgehalt eine Rolle. Und was jetzt auch Corona gezeigt hat, ist, dass globale Wertschöpfungsketten oder die globale Supply Chain, also die Lieferketten, zum Teil nicht so resilient sind. Und da bietet es, wenn man regional einkauft, auch eine gewisse Sicherheit. Es schränkt aber natürlich auch sehr ein, weil ich kann natürlich keine Ananas oder keine Banane vom Bauern in Bayern essen, oder?

Noch nicht.

Noch nicht. Wer weiß was, wo uns die Klimakrise noch hinführt. Nein, aber ich sage auch nicht, dass jetzt alles hundertprozentig regional sein kann, weil ich liebe auch Exotik auf dem Teller. Ich habe sehr viel Zeit in Asien verbracht, also sowohl auf privaten Reisen als auch beruflich. Ich habe anderthalb Jahre in Peking gelebt beruflich und ich liebe asiatisches Essen und ich liebe tatsächlich auch Südfrüchte, also sprich Ananas, Banane und, und, und. Das Ding ist einfach, es geht um das Maß, wie beim Fleisch auch. Also muss es jeden Tag dreimal sein oder reicht es auch zweimal die Woche? Und da würden wir schon einen so großen Schritt weiter sein. Es geht gar nicht darum, dogmatisch zu sagen, ich kaufe nur noch in der Region und verzichte auf den Genuss aus der Ferne. Hat ja auch was, das tut uns ja auch gut. Da erinnern wir uns vielleicht an den letzten Urlaub in Asien oder wollen auch mal natürlich was anderes auf der Zunge haben. Viel geht ja auch einfach über Geschmack.

Sind so Urban Gardening Konzepte, Vertical Farming Konzepte Dinge, die du gut findest, wo du sagst „Wow, toll, jeder soll seinen eigenen kleinen Schrebergarten haben und da sein Gemüse anbauen“? Das ist doch dann sicher ganz prima, oder? Ist ja auch ein Trend. Wie siehst du das?

Ich finde das in der Hinsicht ganz gut zum Thema „Connect yourself“, verbinde dich wieder mehr mit deinem Produkt und wo dein Essen herkommt. Es schafft wieder dieses Bewusstsein, wenn ich selber eine Tomatenpflanze oder eine Petersilienpflanze gieße und dann wächst was, da schaffe ich in irgendeiner Form Verbindung zu dem Produkt und deswegen finde ich das sehr wertvoll. Schön ist natürlich, wenn da jetzt ein Verein drumherum ist und man sich austauscht mit anderen Menschen und diese Idee eben auch weiterträgt. Gerade Urban Gardening oder auch Wochenmärkte oder die Biokiste, das sind alles so alternative Formen einer Ernährungswirtschaft, die natürlich außerhalb von der gängigen Industrie und der gängigen Food Branche passieren. Die haben noch nicht Transformationspotenzial, aber man sieht, dass die auch sich immer weiter ausdehnen, weil es eben eine Werteverschiebung in der Gesellschaft gibt. Und ich sehe das erst mal positiv, dass sie sich organisieren und mehr auf natürlich nachhaltige, regenerative Werte achten, was die Lebensmittelproduktion und den Konsum angeht. Es wäre natürlich schön, wenn sich das noch schneller auch in den großen Strukturen der Industrie abbilden würde.

Wobei ich spannend finde: Für den einzelnen ist ja die Verbindung mit der Natur extrem regenerativ und ich meine, was gibt es Schöneres, als einen Baum zu umarmen, einen Baum zu pflanzen oder Salat zu säen oder Tomaten zu ernten. Also das sind ja alles sehr archaische Dinge, die uns wieder mit unserem Ursprung verbinden. Und diese Verbindung geht natürlich komplett verloren, wenn du immer in der Stadt bist und dann dir schnell mal deine 50 % Kartoffeln grabscht aus dem Laden. Und das ist eigentlich ein sehr schöner Gedanke, finde ich.

Genau, es geht dann in der Stadt halt viel ums Funktionieren. Wir müssen so ein bisschen unser Mensch sein daheimlassen, unsere Gefühle, Emotionen. Ich war jetzt eine Woche mit der Familie in den Bergen wandern, hab drei Nächte auf einer Alm übernachtet und wenn du die ganze Zeit nur da oben bist, dieses simple, einfache Leben, was aber auch so menschlich ist, wir kommen aus der Natur, wir Menschen, wir gehen wieder in die Natur, wir sind abhängig von der Natur, wir brauchen frisches Wasser, brauchen gesunden Boden, wo wenn unsere Sachen anbauen können, wir brauchen frische Luft, saubere Luft zum Atmen. Wir sind ganz doll mit der Natur verbunden. Deswegen ja, das ist der Umgang mit von Mensch und Natur. Wir sind, das ist Regeneration per Definition und deswegen sind das so kleine Ventile, so ein Urban Gardening Projekt z.B. oder man kann auch anfangen einfach auf der eigenen Fensterbank ein paar Küchenkräuter anzupflanzen, das bringt schon sehr viel, um einfach auch wieder diese Verbindung herzustellen.

Wo ich wieder zur Technologie komme, weil natürlich auch die Anbauflächen begrenzt sind. Das heißt, wir brauchen ja irgendwo einen möglichst natürlichen Ansatz, denke ich, einen innovativen Ansatz, wo wir auch unterstützt werden, dass wir mit begrenzten Flächen und begrenzten Mitteln letztendlich auch einen Output haben, der eben regenerativ ist, der gesund ist und mit dem wir überleben können. Das war jetzt für mich so ein bisschen ein Fazit auch aus dem Gespräch.

Ja, auf jeden Fall und es gibt natürlich auch Regionen, gerade wenn ich jetzt die Berge anspreche, also in den Alpen, da habe ich bisher noch keine Alm gesehen, ist mir aufgefallen, die dann einen riesen blühenden Gemüsegarten hat. Also es gibt auch viele Bereiche, wo man nichts anbauen kann und da muss man die Flächen natürlich anders nutzen.

Wir haben ja jetzt hier das Glück, dass wir nicht selbst unsere Tomaten und unseren Salat anbauen müssen, sondern dass wir hier die Schokolade knabbern können. Ihr seht das ja jetzt nicht zu Hause, aber die Schokolade ist fast aufgegessen. Denise, nach dem vielen Reden und den vielen süßen Knabbereien: Erzähl mal, welche Sorte ist dir denn lieber von den beiden? Also Passion oder Cozy?

Also von der Bezeichnung, vom Namen finde ich Passion besser und von der Farbe. Aber Cozy ist tatsächlich vom Geschmack besser, finde ich.

Cozy ist ja auch nett. Cozy unterm Apfelbaum, das ist unser Motto. Zu guter Letzt jetzt noch eine Frage: Kannst du dir vorstellen, dass du vielleicht heimlich oder offiziell dann doch noch zu diesem Gläschen Nutella greifst?

Nein.

Yeah.

Weil das für mich kein Genuss ist. Wenn es ein Genuss wäre, würde ich.

100 Punkte Authentizität ist ja alles. Danke dir, es war prima.

Vielen Dank, es hat mich sehr gefreut. Dankeschön.

Tja, das war’s für heute von Food Fak(t). Der Austausch mit Denise, der hat mich tatsächlich neugierig gemacht, mich mehr mit konkreten Produkten und Produktideen auseinanderzusetzen und das wird auch der Schwerpunkt der nächsten Folgen von Food Fak(t) werden. Und damit ihr nichts verpasst, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder täglich nachschauen, ob es eine neue Folge gibt und wem dazu die Zeit fehlt, der kann zweitens ja ganz einfach den Podcast abonnieren. Das würde mich freuen, das ist easy und man verpasst auch definitiv gar nichts. Wer mehr über die Denise, über den Podcast und natürlich über die verkosteten Schokoladen erfahren möchte, der sieht dazu auch einiges auf unserem Instagramkanal foodfakt_podcast. Da gibt es alles, was man wissen muss, alle Infos und dort könnt ihr auch direkt Fragen stellen oder Feedback geben. Ich bin aber vor allem gespannt: Wer von euch ist denn nun Team Nutella und wer ist denn Team Cozy? Passion? Baba und Servus, bis zum nächsten Mal.